PhD – Musik, Tanz und soziale Strukturen in der Tango Argentino-Szene zwischen Nordost-Italien und Buenos Aires (Mattia Scassellati)

Der Tango Argentino erlebte,  nachdem er zwei Jahrzehnte lang in Vergessenheit geraten war, zur Wende der 1990er Jahre einen neuen Aufschwung. Dies wurde international durch eine wachsende Zahl von Lern- und Tanzeinrichtungen gefördert. Von da an entwickelte sich der Tango Argentino als translokale Szene und wurde rasch zu einem konsolidierten und professionalisierten Phänomen mit einer eigenen Dynamik. Viele argentinische Tänzer und Lehrer aus Buenos Aires nutzten die Chance, die dieser neue Markt bot, und beschlossen im Ausland zu arbeiten. Gründe für die besondere Bedeutung Italiens innerhalb Europas als Zielort waren u.a. privilegierende diplomatische Beziehungen zwischen diesen beiden Ländern, die ein wesentlicher Teil gemeinsamer Geschichte an der Wende des zwanzigsten Jahrhunderts verbindet.

Seit den 1990er Jahren haben sich im Nordosten Italiens vor allem die Städte Padua und Venedig auf nationaler Ebene des Status eine „Tango-Mekkas“ erworben.  Ihr Einfluss ist heute noch bis in die Umgebung von Bologna Richtung Süden und Udine Richtung zu beobachten. Das lokale Netzwerk der Tango-Communities ist hier im Vergleich zum übrigen Italien aktiver und dichter und stellt zudem einen Bezugspunkt für Tangueros aus Nachbarländern wie Österreich, Slowenien und Kroatien dar.

Heute ermöglicht die konsolidierte Beziehung des Tango Argentino zwischen Italien und Buenos Aires einen kontinuierlichen Austausch hinsichtlich Musik, Tanz und sozialen Strukturen, die letztlich die gesamte Musik- und Tanzform prägen. Wie das ganze Phänomen wirkt und funktioniert, ist das Thema meines Dissertationsprojekts. Mein Ziel ist es, den Austausch von Tango zwischen dem großen urbanen Zentrum von Buenos Aires und kleinen Zentren, die sich auf ein Gebiet im Nordosten Italiens konzentrieren, zu beleuchten und die Vermittlung und Praxis des Tanzes, die Rolle von Live-Musik-Orchestern und die soziale Interaktion zwischen professionellen Tänzern, Lehrern und Organisatoren näher zu betrachten. Ich werde auch auf relevante finanzielle und politische Aspekte sowie auf die Folgen der COVID-19-Pandemie eingehen.

In meiner Arbeit möchte ich den Tango Argentino als translokales Phänomen am Beispiel der starken Beziehungen zwischen Buenos Aires und Italien darzustellen. Letztlich kann diese Forschung Erkenntnisse darüber liefern, wie eine Musik- und Tanzform im Austausch lebt, was die soziale Interaktion und ihre Folgen sind und welche Auswirkungen eine Pandemie auf eine Tanz-Community hat.